Mit Hilfe der Yogastellung Virabhadasana und den inneren Qualitäten der Heldin oder des Helden entwickelst du geistige Kraft, Stabilität, Mut und beherzte Furchtlosigkeit. Mythologisch ist die Yogastellung Virabhadrasana dem grossen Helden gewidmet, den Shiva aus seinem Lockenhaar schuf. Der Name der Pose leitet sich aus dem hinduistischen Mythos des Kriegers Virabhadra ab, doch sie wird als Yogastellung erst im 20. Jahrhundert in der Hatha-Yoga-Tradition aufgezeichnet.

vira - Held oder Krieger
bhadra - Freund, grossartig oder gutmütig
asana - Yogastellung

Bekannte Yogameister wie Krishnamacharya, BKS Iyengar, Indra Devi und Ashtanga-Gründer Pattabhi Jois, die als "Paten des Yoga" verehrt werden, brachten einen Großteil der physischen Yoga-Praxis in den Westen und machten somit auch Yogapositionen wie Virabhadrasana bei uns bekannt. Virabhadrasana ist eine der „kultigsten“ Yogastellung überhaupt. Obwohl sie optimal ausgeführt in jeder ihrer Variante eher zu den anstrengenden Yogastellungen gehört, wird sie von den meisten Yogis und Yoginis geliebt.

Tantrische Yoga-Praktiken, worunter auch Hatha Yoga gehört, spielen tatsächlich eine große Rolle bei der Förderung von Bewegung und Körperhaltung, um Gefühle und Empfindungen in Geist und Körper zu wecken und zu verändern und sich damit spirituell weiterzuentwickeln. Es mag erstmal merkwürdig erscheinen, eine Yoga Übung nach einem Krieger zu benennen. Kennen wir den Yoga nicht als eine gewaltfreie Form der Selbstfindung?

Kennst Du den Helden oder die Heldin in dir?

Ich möchte mit diesem Blog gar nicht so sehr auf die Yogastellung an sich eingehen, sondern auf die innere Entwicklung, die einhergeht, wenn wir uns auf die Yoga-Reise begeben. Ja - eigentlich ist dies eine Heldenreise.

Da diejenigen, die mit mir Yoga praktizieren zu ungefähr achzig Prozent weibliche Yoginis sind, werde ich ab jetzt die weibliche Form nutzen und von der Heldin oder der Kriegerin sprechen, obwohl der Held oder der Krieger eigentlich ein männlicher Archetyp ist. Trotz dieser Wortwahl schliesse ich natürlich auch alle männlichen Yogis mit ein.

Heldin oder Kriegerin?

Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen der Heldin und der Kriegerin. Die Heldin muss eine Heldinnenreise beschreiten. Fast immer geht es bei dieser Reise um den Weg von der Suchenden, der Nichtwissenden, der manchmal naiven Narrin zur wahren Heldin. Auf dem Weg wird sie vielen Prüfungen und Herausforderungen begegnen.

Es geht bei diesem Weg um eine innere Entfaltung und Bewusstwerdung. Der Heldinnenweg führt uns dazu, innere Reife zu entwickeln. Bei der Heldinnenreise wirst du aufgrund äusserer Entwicklung in deinem Leben oder aufgrund eines inneren Konflikts herausgefordert, dich auf die „Reise“ zu begeben. Natürlich weigerst du dich anfänglich, denn du hast Angst vor dem Ungewissen. Doch genauso gut weisst du, nur wenn du dem Ruf folgst, wird du deine Visionen realisieren können. Es gibt Menschen, die dich auf dem Weg ermutigen und dir beistehen und es zeigt sich auch eine erste Schwelle, irgendeine Handlung von dir, die klar macht: es gibt kein Zurück mehr, denn eine Veränderung in der physischen Welt aber auch in deiner inneren Welt ist angestossen worden.

Verschiedene Bewährungsproben sowie auch ein Tiefpunkt der Reise lassen dein Heldinnen-Kämpferherz immer wieder aufblühen. Irgendwann „gewinnst“ du den Kampf und erlangst folglich eine Erkenntnis, die deine Mitmenschen nicht haben und kehrst weiser in die alte Welt zurück, um deine Erfahrung der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Doch immer dann, wenn es Zeit für Veränderunge ist, braucht es die innere Kriegerin. Die Kriegerin ist bereit in Handlung zu gehen. Sie hilft, in die Offensive zu gehen, dann, wenn jemand Grenzen überschritten hat. Sie mobilisiert innere Stärke und verteidigt. Oft kommt sie dann "hervor", wenn Du es vielleicht gar nicht mehr vermutest. Sie setzt sich für eigene Werte ein und zeigt ihre Waffen, auch wenn sie diese nicht immer einsetzt. Sie sieht die Waffe als Verlängerung ihrer Selbst und glaubt daran, bereits die Waffe zu halten bedeutet Stärke - denn sie weiss, eigentlich geht es ja um die innere Stärke. Kennst du Devi Durga mit ihren vielen Armen? Sie ist bekannt als Schutzgöttin, reitet den wilden Löwen und hält in ihren vielen Händen verschiedene Waffen. Je nach Möglichkeit und Bedarf zeigt sie diese und setzt diese wenn nötig auch ein, nämlich dann, wenn höhere Werte verletzt wurden.

Die Kriegerin gibt ihre Energie auch für etwas Grösseres, sie fühlt sich verantwortlich für Veränderungen zum Besseren in der Welt. Sie sagt: Ich muss tun was ich kann und gehe vorwärts. Und ich weiss, es geht nicht um spektakuläre Lebensgestaltung, sondern um Selbstverantwortung.

Breche mutig in das Abenteuer deines Lebens auf!

Je länger ich Yoga praktiziere, desto mehr spüre ich die innere Kriegerin in mir. Weniger in Angriffs- oder Kampflust, sondern im Ausdruck von innerer Stärke und beherztem Handeln. Im Leben kommen wir immer wieder an Wegkreuzungen. Sicherlich bist auch du schon einmal in einer Übergangsphase deines Lebens gewesen, wo du nicht genau weisst wohin.

Ein Innehalten zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“

Das Alte greift nicht mehr, doch das Neue ist auch noch nicht in Sicht. Nun braucht es Vertrauen und Mut sowie Leidenschaft und Gelassenheit, sich neuen Erfahrungen und neuen Möglichkeiten zu öffnen. Auch dann, wenn sich das zunächst alles andere als gut anfühlt. Es braucht „Heldinnentum“, es fordert dich als ganzen Menschen. Manchmal musst du dann deine Ängste hinter dir lassen, Alltagsroutinen durchbrechen und mutig vorwärts gehen und die Kriegerin deiner inneren Welt sprechen lassen.

Die Kriegerin weiss, dass oft Altes zerstört werden muss, damit etwas Neues geboren werden kann. Eine Shiva Qualität, die manchmal sehr schmerzhaft ist, aber uns zur Verwandlung führen kann.

Die Lichtkriegerin - die spirituelle Kriegerin

Die innere Lichtkriegerin hilft dir zu erkennen, wie du dich nicht verausgabst und deine Kraft richtig einsetzen lernst. Dies zeigt sie dir bei der Umsetzung deiner Yogaraxis und auch im Alltag. Im Yoga wissen wir, eine Technik zeigt nur Früchte, wenn sie auch eifrig angewendet wird. Die Yogaschriften präzisieren: Yoga erfordert ausdauernde Praxis und ist nichts für Unstetige. Dabei soll dich die Achtsamkeit den ganzen Tag über begleiten. Denn dann kann sich die Yogapraxis auf das tägliche Leben ausdehnen. Dies ist der Ort der direkten und unmittelbaren Anwendung und Erfahrung von Yoga.

Viele positive Werte der Kriegerin helfen dir bei der Umsetzung:

• Disziplin und Entschlossenheit
  
• Mut und Fokus
  
• die Bereitschaft das Notwendige zu tun
  
• der Wille, für dich, das Gute und die Welt einzustehen

Die Kriegerin hilft dir dabei, Avidya, nämlich Unwissenheit und Ignoranz zu bekämpfen, was häufig als die Ursache allen Leidens auf der Welt angesehen wird. Innere Klarheit hilft den richtigen Weg zu finden. Die Kriegerin wählt nicht den einfachen, den breiten Weg der Masse. Sich anzupassen und konform zu gehen ist immer die einfachere Variante im Leben. Doch die Kriegerin wählt den schmalen, den anspruchsvollen Weg. Sie will sich für ihre hohen ethischen Ideale einsetzen, auch gegen die Mehrheitsmeinung. Sie weiss, wann es zu kämpfen lohnt und zieht nicht los, wenn sie sieht, dass sie machtlos ist und der "Kampf" schon im Vornhinein verloren ist. Auch versucht sie das Leben zusammenhängend und ineinander fliessend zu gestalten - intelligent gelenkt und in ständiger Präsenz.

Die super unperfekte Heldin

Doch zu hohe Forderungen an sich können auch eine Falle bedeuten! Die Heldin weiss, sie muss nicht perfekt sein, manchmal ist sie einfach super unperfekt. Manchmal lässt sie alles stehen und liegen, um zu singen und zu tanzen. Schwächen und Fehler der Heldinnen berühren uns, denn sie sind wie unsere eigenen Fehler und Schwächen.

Um Auftanken zu können und wieder Kraft zu schöpfen, schafft sie sich einen Kokon, da sie weiss, wie wichtig Geborgenheit und Schönes um sie herum ist, für ihr eigenes Wohlbefinden. Auch wenn die Heldin jenseits der Komfortzone geht, wird sie sich nicht für andere aufopfern, sondern auch mal Nein sagen. Sie stellt sich in der Warteschlange des Lebens nicht ganz hinten an. Ja, sie hat den Mut sich zu zeigen und kommt nach vorne.

Trotz Fehler, die sie vielleicht hat, beginnt sie sich zu lieben. Diejenigen, die ihr wirklich von Herzen zugetan sind sehen, dass all die Makel in Wirklichkeit fantastische Eigenschaften sind. Auch rennt sie ihrem Leben nicht hinterher, wie eine wildgewordene Marathonläuferin. Die Heldin lässt das Leben kommen.

Wir können mit Virabhadra eine freundliche und mutige Heldin oder Kriegerin darstellen. Als jemand, die hilft und nicht schadet, jemand, dessen Aufgabe es ist, zu schützen statt zu provozieren. Jemand wo Stop sagt, wenn es so nicht weitergeht. Die Kriegerin will ihr ganzes Licht in die Welt einbringen und diese zu einem besseren Ort machen. Wenn wir mit Yoga beginnen, werden wir die Heldinnen und Kriegerinnen unseres eigenen Lebens. Heldinnen sind verletzlich, aber im Inneren unbesiegbar!